„Was hätte ich schreiben sollen? Hey Levi ich sitze im Knast und bin deshalb nicht mehr da?!“, murmelte ich leise und schüttelte den Kopf, wobei ich weiterhin meine Tränen nicht unter Kontrolle hatte. Jedoch waren es wieder und wieder weniger Tränen die aus meinen grünen Augen hervor quollen. Als er fragte, ob ich darüber nachgedacht hatte, wie es für mich gewesen sein musste sah ich ihn an und nickte leicht. „Habe ich und das nicht nur einmal… Ich konnte mir denken wenn ich dich sehe, das du mich am liebsten umbringen würdest, das du dich nicht wirklich über mich freuen würdest. Es ist mir klar, das es für dich ein beschissenes Gefühl sein musste, dass ich auf einmal weg war und nichts gesagt hatte. Ich habe mir vorgestellt wie es wäre wenn es anders rum wäre…“, versuchte ich mich zu erklären und blieb dabei aber ruhig und ließ mich anbrüllen, ich wusste, dass Levi leicht auf 180 war und nur schwer wieder auf Betriebstemperatur zurück.
Levi schien ruhig zu werden, auch wenn ich wusste, dass dies ganz sicher nichts gutes zu bedeuten hatte. Levi wurde nur selten ruhig und meistens sollte man dann still sein, doch das wollte ich nicht. Ich wollte jetzt nicht still sein und alles hinnehmen was er zu mir sagte, jedoch sah ich nur kurz auf den Boden, als er wieder sagte das ich lange weg war. „Ich weiß es nicht…“, gab ich zu und biss die Zähne zusammen, ballte die Hände zu Fäusten und krallte meine Fingernägel in meine Handfläche hinein, wobei ich mich so am Boden hielt.
Als er so selbstgefällig sprach biss ich mir auf meine Unterlippe und schluckte schwer. „Levi…“, murmelte ich und suchte nach dem Richtigen Wort, immerhin wollte ich ihm erklären warum ich gestohlen hatte, warum ich erwischt wurde und alles. Ich wollte es ihm erklären, doch ich wusste mal wieder nicht wie. Ich wusste nicht, wie ich was tun sollte, wie ich bei Levi handeln sollte. Es war fast so, als wären wir nie zusammen gewesen. Als hätten wir uns nie kennen gelernt, als hätte ich ihn nie angesprochen, weil er mir von der Optik her gefallen hatte. Seine schwarzen Haare, sein Lächeln, das ich doch so oft auf seinen Lippen sehen durfte. Er schien in der Zeit, in der wir zusammen waren, so glücklich. So zufrieden. Jetzt schien er auch glücklich zu sein, vielleicht das er mich los war, das er sich nicht mehr mit mir rum streiten musste oder sonst was. Doch wieder zurück zu meinem angefangen Satz: „Ich weiß nicht warum ich geklaut habe… Früher, im Heim hatte ich kein Geld und konnte mir die Sachen nicht kaufen, aber das habe ich dir schon erzählt… Es ist zur Gewohnheit geworden, dass ich klaue, das ich das nehme was ich will und was ich in meinen Augen brauche. Ich war unaufmerksam und wurde erwischt und du kannst dir nicht vorstellen an wen ich die ganze Zeit im Knast gedacht habe, welche Person in meinem Kopf mich am Leben gehalten hatte“, ich wurde ganz leise und ruhig, meine Stimme zitterte und war noch unsicherer wie sie ohnehin schon war. Noch leiser und vorsichtiger wie ich ohnehin schon war. Verdammt wie ich mich gerade selbst hasste, das konnte glaube ich keiner merken.
Anschließen folgte ja einer meiner Größten Fehler. Doch zu meinem Verwundern erwiderte Levi den Kuss, zwar vorsichtig und kurz, doch er erwiderte ihn. Für mich hieß das, er empfindet noch etwas für mich und er hasst mich nicht. Doch diesen Gedanken würde ich gleich wieder über Bord werfen als er sich ruckartig von mir löste und ich im gleichen Atemzug auf dem Boden aufschlug, wobei ich scharf Luft einzog und die Augen zudrückte. So blickte ich zur Seite, als Levi sich über mich beugte. Als ich seine Stimme vernahm drehte ich meinen Kopf zu ihm und versuchte die leichten Schmerzen die sich an meinem Hinterkopf und meinem Rücken ausbreiteten zu unterdrücken. „Nein dachte ich nicht verdammt! Ich habe nicht nachgedacht!“, meinte ich mit leiser und verzweifelter Stimme, denn noch immer hatte ich jede Menge Respekt davor, wenn Levi mich so anschrie. Ich hatte einfach nur Angst, dass ich gleich eine gewischt bekomme. Als ich seine Faust sah, blickte ich nur flehend zu ihm hoch, dass er mich nicht gleich verprügelt. Jeden anderen hätte ich schon lange zusammen geschlagen, doch bei Levi konnte ich das nicht, ich könnte ihm nicht mal ein Haar krümmen. Bei der Frage, ob ich überhaupt irgendwas im Griff hatte schüttelte ich den Kopf und öffnete meinen Mund. „Seit ich dich nicht mehr habe, hab ich gar nichts im Griff…“, es war die Wahrheit, denn eigentlich hatte ich wirklich seit ich im Knast gewesen bin nichts mehr im Griff. Weder mein Leben, noch meine Emotionen oder sonst was. Gar nichts in meinem Körper gehorchte mir.
Als Levi aufsprang als hätte ihn eine Tarantel gebissen, setzte ich mich langsam auf und zog meine Knie an meinen Körper. Meine Hand fuhr unsicher zu meinem Hinterkopf und ich strich leicht über diesen. Eine Beule würde ich sicher bekommen, doch es störte mich wenig. Meine Stirn legte ich auf meine Knie und meine Unterlippe zitterte ein wenig. Ich selbst erinnerte wohl mehr oder weniger an einen kleinen traurigen Klos, der nicht mehr wusste was er tun sollte. Ich hatte einfach Angst, dass ich hier nicht mal mehr einfach an ihm vorbei gehen konnte, ohne an diesen Moment zu denken. Den Moment in dem ich hier auf dem Boden saß und im Regen weinte. Ich spürte den Blick auf mir und ignorierte ihn. Ich konnte jetzt nicht zu ihm gehen, ich konnte ihn nicht ansehen, nicht anlächeln. Ich konnte ihn nicht in den Arm nehmen und so versuchen ihn zu beruhigen. Ich konnte gar nichts. „Levi…“, wimmerte ich leise und biss auf meine Unterlippe, wobei ich danach wieder zu ihm hoch sah aber noch immer sitzen blieb. Ich wusste nicht was ich sagen sollte, wie ich sagen sollte, dass es mir leid tat, das ich so viele Fehler gemacht hatte, die ich nicht hätte machen sollen. Ich hätte ihm sagen sollen, wo ich bin. Unsicher stellte ich mich auf meine Füße und zog meine Zigarettenschachtel aus meiner Hosentasche. Langsam ging ich zu ihm, blieb mit einigem Abstand zu ihm stehen und streckte ihm die Schachtel hin. Es war wie bei unserer ersten Begegnung. Nun ja, zumindest der Punkt mit den Zigaretten. Ich wartete ruhig und leicht unsicher ab, ob er die Zigaretten annehmen würde. „Sag mir bitte, was ich tun kann damit du mich nicht mehr umbringen willst…“, wisperte ich ganz leise und sah ihm mit meinem schuldbewussten und ängstlichen Blick in die Augen, mein Blick selbst erinnerte wieder an einen Welpen. Einen kleinen, unsicheren Welpen. „Ich bereue das alles doch… Ich weiß, dass ich mich hätte melden müssen und das ich jetzt nicht wieder auftauchen kann und alles wieder eine heile Welt ist. Ich kann nicht verlangen, dass du mich zurück nimmst, das weiß ich. Ich kann das alles nicht verlangen, aber vielleicht kann ich, so wie ich es jetzt tue, davon träumen das du mich irgendwann nicht mehr umbringen willst, sobald du mich siehst“, wisperte ich. Denn im Moment dachte ich wenn ich alleine war nur daran, wie ich bei Levi gesessen bin, meinen Kopf auf seiner Schulter. Wie ich ihm schreiben konnte, dass ich ihn brauche und er sofort da war. Ich vermisste diese Momente, in denen er mich angelächelt hatte und mich in den Arm genommen hat, wenn was nicht so klappte wie es sollte. Man sah mir sicher an, dass ich in Erinnerungen schwebte und hoffte, dass es irgendwann wieder so sein würde, denn ich selbst konnte nur sagen, dass er mir noch immer mindestens so viel bedeutete wie er es getan hatte, als ich abgehauen bin… Nun ja… Gehen musste.