Everybody needs a break

Freitag Mittag war doch immer eine gute Zeit, sich langsam in Wochenendstimmung zu versetzen, auch wenn der Tag ja noch nicht ganz geschafft war. Trotzdem konnte man beim Mittagessen ja schonmal ausspannen, durchatmen und das tat Steven nun auch ausnahmsweise mal. Seufzend sah er sich mit seinem Tablett in der Mensa um und schüttelte den Kopf. Es war niemand zu sehen, abgesehen von Schülern und ein zwei älteren Kollegen, die bekanntlich beim Essen nicht gestört werden wollten. Daher musste er wohl doch allein sitzen. Eigentlich tat er das eher ungern, nutzte die Zeit lieber, um sich zu unterhalten und sich mit anderen auszutauschen, statt ständig nur vor Schülern den Unterricht abzuhalten. Manchmal glitt er eben gern auch in die passive Zuhörerrolle ab.
Trotzdem nutzte das Ganze jetzt ja nichts, sodass er sich an einen kleineren Tisch allein setzte, sein Mittagessen eine Weile anstarrte und nichts tat, weil er nachdachte, was er am Nachmittag und am Abend noch tun könnte. Er hatte ausnahmsweise mal kaum etwas mit Unterrichtsvor- oder Nachbereitung zu tun, sodass er derart wenig Beschäftigung finden würde. Die einzige Aufgäbe wäre mal wieder Aufsicht und das war nun niemals seine Lieblingsaufgabe gewesen, so gern er auch Lehrer war.
Stumm griff er also nach seiner Gabel und begann mit dem Essen.

Ich lief in die Mensa nach meinem Unterricht. Ja, heute hatte ich es besonders streng. Die Schüler hatten jegliche Konzentration verloren da bald das Wochenende nahte. Auch wenn ich nicht zu 100% Deutsch unterrichtete, so kam ich manchmal dennoch an meine Grenze. Die Schüler nutzten das auch aus. Dennoch wollte ich jetzt nicht trübsal blasen und nun das beste daraus machen. Ich ging mit schnellen Schritten an die Theke und holte mir mein Essen und etwas zu trinken. Dann sah ich mich in der Mensa um. Es hatte fast keinen Platz mehr frei. Obwohl die Mensa sehr gross war. Nach genauerem hinsehen, kam ein kleiner Tisch zu Augen bei dem nur jemand sass. Es war ein Lehrer, denn ich hatte ihn einmal gesehen. Ich seufzte und lief dann auf den Tisch zu. Dann stellte ich das Tablett auf den Tisch und sah den jungen Mann direkt in die Augen. "Ich hoffe hier ist noch frei", sagte ich, ehe ich mich auf den freien Stuhl setzte. Ich musste zuerst einmal etwas trinken. Also nahm ich das Glas mit dem Mineralwasser und nahm einen großen Schluck davon. Dann sah ich wieder zu dem Mann, der eben auch ein Lehrer war. "Entschuldigung, kennen wir uns?" Dass wir uns einander vorgestellt hatten, daran konnte ich mich nicht erinnern.

Da dachte man einmal darüber nach, dass ein Gesprächspartner beim Essen ganz nett wäre und schon kündigte sich einer an. Trotzdem wirkte Steven zunächst etwas verblüfft, als sich ihm gegenüber ein Tablett auf den Tisch schob, sodass er dann erst aufsah und Noele erblickte. Seine Lippen verzogen sich bei ihrer Frage zu einem freundlichen Lächeln. "Für jeden frei, außer Schüler. Wenigstens beim Essen hätte ich vor ihnen gern mal eine Pause", erklärte er grinsend und nickte, als sie sich hinsetzte, beobachtete, wie sie etwas trank und fragte sich kurz, ob er sich vorstellen musste. Er wusste zumindest, dass er sie definitiv kannte, nur war sein Namensgedächtnis manchmal einfach miserabel. Konnte also gut sein, dass er ihren Namen eigentlich kennen sollte, sich aber nicht daran erinnerte, weil er so oft nicht mit ihr verkehrte.
Tatsächlich löste sie aber selbst diese Fragestellung in seinem Kopf auf, indem sie fragte, ob sie sich kannten. Entweder vergaßen sie also beide den jeweils anderen schnell, oder sie kannten sich wirklich nicht gut, sodass weder noch sonderlich peinlich wäre. Entschuldigend zuckte er mit den Schultern. "Ich kenne ihr Gesicht, aber ich bin mir nicht sicher, ob wir uns schonmal vorgestellt wurden oder es selbst getan haben", gab der großgewachsene Mann zu, "Mein Name ist Akins, Steven Akins. Ich unterrichte Politik und Pädagogik." Als er fertig war, sich vorzustellen, nahm er ebenfalls einen Schluck von dem Wasser, das auf seinem eigenen Tablett stand und widmete seine Aufmerksamkeit dann wieder ganz Noele.

Ich musste grinsen. Ja selbst ich wollte in meiner freien Pause nicht von den Schüler vollgequatscht werden auch wenn ich eine Psychologin war. Dennoch wollte auch ich meine Ruhe haben. Wenn es mir zu viel wurde, dann ergriff ich die schlagartig die Flucht.
Erst jetzt musterte ich ihn. Er sah gut aus. Lächelnd sah ich in seine braunen Augen. Ich bekam gar nicht richtig mit, dass er weitergeredet hatte. Erst als ich seinen Name hörte, kam ich wieder zur Besinnung. "Nun, es freut mich dich kennen zu lernen Steven. Ich bin Noele, Noele Miller und unterrichte Deutsch. Und dann bin ich noch Schulpsychologin." Viele schreckten zurück wenn sie das Wort "Schulpsychologin" hörten. Aber es gab immerhin noch die Sorte von Leute die freiwillig zu mir kamen. Für mich war selber war es gut dass ich noch Deutsch unterrichtete, das war eine gute Abwechslung für mich.
Nun wannte ich mich meinem Essen zu. Ich hatte heute nicht sonderlich Appetit, deshalb nahm ich mir nur eine kleine Portion von den Spaghetti. Kurz sah ich zu Steven: "Guten Appetit mein Herr." Dann fing ich an zu essen. Während dem Essen vielen mir ein paar Spaghetti von der Gabel auf mein Oberteil. Am liebsten hätte ich geflucht als ich dies bemerkte. "Och, mist. Warum muss mir das immer passieren?" Schnell nahm ich die Serviette und versuchte die Tomatensauce wegzuwischen. Das Oberteil konnte ich wegwerfen, denn die Tomatensauce bekam ich fast nicht mehr raus. Zum Glück war es nicht weiß, sondern blau. Dann sah ich zu Steven. "Der Nachmittag fängt ja schon gut an. Zum Glück habe ich noch Kleider in meinem Büro."

Steven nickte lächelnd und musterte die junge Dame mit den glatten, dunklen Haaren. Sie schien noch relativ jung, war wohl noch nicht all zu lange Lehrerin, aber das ging ihm ja durchaus ähnlich. Zumal er zunächst seine Zeit mit der Army verbracht hatte. "Freut mich ebenso", entgegnete er. Immerhin trug die schöne Frau einen schönen Namen. Dass sie Psychologin des Internats war, klang nicht gerade abschreckend. Er konnte sich kaum vorstellen, was diese Menschen leisten mussten, indem sie sich die Sorgen vieler vieler anderer Menschen anhörten und ihnen dabei halfen, diese zu bewältigen. Er selbst wäre immer jemand, der diese Hilfe freiwillig suchen würde. Glücklicherweise hatte er sie erst einmal in Anspruch nehmen müssen und sich von den Problemen erholt.
"Guten Appetit auch", wünschte er, beobachtete sie und musste das Lachen unterdrücken, als sie sich tatsächlich mit den Nudeln bekleckerte. Was auch sonst? War irgendwie ein klischeehaftes Missgeschick. "Schätze, es muss auch den Schönen mal passieren." Zwinkernd schob er seine Serviette über den Tisch, damit sie sie verwenden konnte, wenn sie sie brauchte. Unwillkürliche sah er kurz auf die bekleckerte Stelle, bevor er seinen Blick wieder hob. "Ich wette wenn du noch unterricht hast, hätten die Schüler an dem Fleck ihre helle Freude und dir würde kein Junge mehr zuhören." Die Vorstellung, dass die jungschen Kerle sie eben die ganze Zeit anstarren würden, weckte sogar ein wenig sein Mitgefühl. Aber wenn sie noch Wechselkleidung dabei hatte, war ja alles nicht so schlimm. Im Zweifelsfall konnte sie ja auch in ihre Wohnung gehen, um sich umzuziehen. Trotzdem aß Steven noch ein wenig weiter an seinen Nudeln.

Ich musste grinsen. Solche Missgeschicke passierten mir öfters. Später konnte man dennoch immer wieder darüber lachen. Dass er mich als schön bezeichnete, überraschte mich. Denn ich sah mich nicht als eine der schönen Frauen und ich prahlte damit auch nicht. Dennoch wollte ich sexy wirken. Und ich musste zugeben dass ich öfters engere Sachen anzog. Wie jetzt zum Beispiel auch. Doch das war etwas anderes. Ich nahm die Serviette die Steven mir zugeschoben hatte, machte sie mit meinem Mineralwasser nass und versuchte weiterhin mein Desaster zu beseitigen.
Auf seine Aussage hin, sah ich ihn verwundert an. Dann sah ich wieder an mir hinunter. "Sieht es so schlimm aus?" Ich musste grinsen. Wenn es weiterhin nichts war! "Nun, zum Glück habe ich mein eigenes Büro. Da kann ich mich auch umziehen und muss nicht extra zur Damentoilette gehen." Das war ein Vorteil wenn man eine Psychologin war, ich hatte mein eigenes Büro.
Während er seine Nudel weiter aß, war mir der Appetit vergangen. Essen konnte ich später immer noch etwas kleines. Ich schob den Teller zur Seite und nahm das Glas in meine rechte Hand. "Unterricht habe ich nicht mehr, nur Termine von Schüler die zu mir als Psychologin kommen." Ich lehnte mich zurück und sah ihm beim essen zu. Seine Bewegungen und wie er reagieren würde wenn er es merkte, faszinierte mich.

Steven aß langsam seine Nudeln weiter auf und beeilte sich doch nicht, fertig zu werden. Er hatte nichts gegen die Gesellschaft von Noele, sie schien Humor zu haben und das hob sie schonmal von manchen anderen Kollegen deutlich ab. Als sie fragte, ob sie so schlimm aussah, musste er leise lachen und schüttelte dann grinsend den Kopf. "Nein, aber der Fleck sitzt für den männlichen Blick etwas ungünstig", erklärte er belustigt und freute sich innerlich darüber, dass sie nicht direkt ausrastete und wild über ihre versaute Kleidung schimpfte. Er hatte nur schon all zu viele tussihafte Frauen hier erlebt, vor allem auch Lehrerinnen und sich immer wieder gefragt, wie man in einem solchen Beruf so werden konnte.
Solche Personen waren ihm garnicht lieb.
Vielleicht wirkte sie deshalb schon im ersten Moment sympathisch. "Das ist wirklich praktisch. Zumindest fragt dann keiner nach, wann du dich umgezogen hast." Er selbst hatte nurnoch eine Stunde Sport zu vertreten, weil ein Kollege kurzfristrig krank geworden war, sodass dort nicht wirklich viel Arbeit auf ihn zukommen würden. Da er sich ja nicht hatte vorbereiten können, lief es wohl größtenteils auf Ballspiele hinaus. "Seit wann bist du hier an der Schule?", fragte er ruhig, während er sein Tablett zur Seite schob und von seinem Wasserglas abermals einen Schluck trank.

Da hatte er recht. Der Fleck war an einem ungünstigen Ort. Aber ändern konnte ich es nicht. Sollten doch die jungen Männer und Schüler schauen. Und wenn es ihnen Freude machte, dann war es halt so. Im Moment fragte ich mich warum er mir nie aufgefallen war, denn Steven war mir sehr sympatisch und nett. Ich war nun schon eine Weile hier und hatte ihn eigentlich gar nie bemerkt bis auf ein einziges mal aber das war auch schon wieder eine Weile her. Wir mussten immer aneinander vorbei gelaufen sein. Schade eigentlich.. Ich verschränkte meine Arme ehe ich weiter redete: "Ja, das stimmt. Und sonst wäre es auch nicht sehr tragisch. Das kann jedem passieren was mir gerade passiert ist." Lächelnd sah ich ihn an. "Seit das Schuljahr begonnen hat bin ich hier. Also noch nicht so lange. Ich habe dennoch schnell eingelebt hier. Und es gefällt mir. Ich war vorher auf einer Schule da hatte es weniger Schüler als es hier hat." Ich sah auf die Uhr. Ich hatte noch Zeit ehe ich den nächsten Termin mit einer Schülerin hatte. "Wie lange unterrichtest du schon hier?" Er musste schon vor mir hier gewesen sein, das war mir bewusst. Ich trank mein Glas leer und stellte es dann auf das Tablett wo mein Teller mit den Spaghetti stand. Lust auf die Termine am Nachmittag hatte ich nicht. Es waren aber nur 2 Termine, danach hatte ich auch Wochenende. Und dieses würde ich genießen.

"Das stimmt wohl", gab Steven zurück und schloss das Thema mit dem Fleck ab. Er selbst würde sich schon beherrschen können, nichtmehr drauf zu starren, vor allem nicht, wenn sie gerade hinsah. Denn über eine nicht ansehnliche Figur konnte sie sich wohl kaum beklagen. Interessant, dass ihm eine der deutlich attraktiveren Kolleginnen hier nie aufgefallen war, sondern er Noele wenn es hochkam ein- zweimal gesehen hatte.
Lächelnd erwiderte er jedenfalls ihren Blick. "Interessant, dass wir uns kaum begegnet sind, obwohl wir in etwa gleich lang hier sind. Es verstört mich ein wenig, dass wir uns kaum unter die Augen gekommen sind. Seltsam", gab er zu und lächelte abermals. "Mir gefällt es auch gut, die Schüler sind ganz gut zu ertragen." Zwinkernd lachte er leise und schüttelte den Kopf, trank von seinem Wasserglas, bis es leer war und stellte es zurück auf das Tablett. "Und, wie sehen deine Pläne für's Wochenende aus, Noele?"

Ich lächelte, es war schön mit ihm zu reden. Ich fand es auch seltsam dass wir uns nur etwas zwei Mal begegnet waren und nicht mehr. Obwohl wir etwa gleich lang in der Schule unterrichteten. Nun ja, vielmals war ich in meinem Büro und wenn ich mal da raus gehe, dann nur um die Schüler zu unterrichten oder zu Mittag zu essen. Und das Mittag essen nahm ich eigentlich auch viel Später als heute. Ich mochte es nicht, mit den Schülern zu essen. Wenigstens in der Mittagspause wollte ich kein Geschrei und das anrempeln haben. Doch heute machte ich eine Ausnahme. Und siehe da, schon hatte ich Steven besser kennen gelernt. Auf seine Frage hin zuckte ich mit den Schultern. "Ich weiß es selbst noch nicht, mal schauen." Lächelnd sah ich ihn an. "Und du? Hast du schon etwas vor als zu Hause vor dem Fernseher zu sitzen?" Ich musste grinsen.

Eine Weile betrachtete Steven Noele, während die wohl ihren Gedanken nachhing und bevor sie antwortete, um zu erklären, dass sie keine direkten Pläne für ihr Wochenende hatte, dass ja nun mittlerweile zum Greifen nahe lag. "Hm, ich denke ich werde mich zum Teil etwas ausruhen, entspannen, Sport machen. Vielleicht mal 'nen Film ansehen oder 'was trinken gehen. Meistens plane ich das mit Bekannten eher spontan und bin nicht so der Typ, der den ganzen Tag vor dem Fernseher lümmelt." Lächelnd zuckte er mit den Schultern, warf einen Blick auf die Uhr, um die Zeit nicht aus den Augen zu verlieren. All zu lange konnten sie sich wohl nichtmehr unterhalten, was mehr als nur schade war. "Außer natürlich, ich habe einen Grund." Was durchaus eine Person einschloss, mit der er die Zeit teilen konnte, aber er war schon eine Weile nicht mehr in einer Beziehung gewesen, die ihn dazu verleitet hatte, einen Samstagabend auf der Couch zu verbringen.