Richard
Heute war mal wieder einer dieser seltsamen Tage an denen Ian über jede Kleinigkeit genauestens nachdachte. Er wusste nicht warum, aber er fand es echt nervig. Er hatte sich noch nicht mal zwei Minuten auf seine Schularbeiten konzentrieren können, da plapperte sein blödes Gehirn schon wieder irgendwas dazwischen. Und während er sich dann so in seinen Gedanken verlor, an dieses und jenes dachte, an schöne und vielleicht auch schlechte Erinnerungen, an das Essen in der Mensa oder an sonst irgendwelche banale Kleinigkeiten, da fiel ihm natürlich auch noch nebenbei auf wie schön doch diese tolle Raufasertapete an der Wand war. Wenn das dann so weiter ging, würde er in hundert Jahren noch da sitzen und sinnlos irgendwelche unförmigen Kreise in sein Schulheft kritzeln ohne es wirklich zu merken. Wirklich toll! Wie zur Hölle sollte man sich da bitte konzentrieren?! Es war ja nicht so, dass Ian wirklich schlecht drauf war heute, nur irgendwie aufgekratzt. Manchmal war das halt so, aber Ian wusste mittlerweile auch, dass er seinen Kopf recht gut frei bekommen konnte, wenn er Sport machte. Wobei Sport machen bei ihm eigentlich fast immer so aussah, dass er einfach so lange rannte bis er entweder keine Lust mehr hatte oder nicht mehr konnte. Er war einfach losgelaufen, war eine Zeit lang echt gerannt wie ein Irrer und obwohl er eigentlich kein Ziel gehabt hatte, hatte es ihn nun zum Strand getrieben und er musste zugeben, dass ihm so langsam auch die Puste ausging.
Ian schaute allerdings so fixiert vor sich auf den Boden beim Rennen, dass er zuerst gar nicht bemerkte, dass er nicht alleine am Strand war. Erst als er im Augenwinkel etwas durch die Luft fliegen sah, hob er den Kopf und nutzte die Gelegenheit gleich mal um etwas langsamer zu werden. Ein paar Meter von ihm weg stand ein Junge, der scheinbar seinen beiden herumtollenden Hunden einen Stock geworfen hatte. Ein Moment lang haderte Ian noch mit sich, dann lenkte er vorsichtig auf den Jungen zu. Zwei Meter entfernt von ihm blieb er stehen und musste erst mal zu Atem kommen. "Ähm...ähh.. hallo? Sorry?", keuchte er vorsichtig und blinzelte den Jungen fragend an. Er glaubte sogar den Jungen schon ein zwei mal im Internat gesehen zu haben, aber genauer angesehen hatte er sich ihn noch nie, geschweige denn mit ihm gesprochen. "Hast du zufällig was zu trinken für mich?", fragte Ian und stützte die Hände auf den Knien ab. Von Nahem konnte der Rotschopf auch sehen, dass der Junge ein bisschen einem Regenbogen ähnelte, denn er hatte einige Wunden wie eine Schramme unter seinem Auge, was ihn nicht gerade besonders vertrauensvoll wirken ließ. Ian mischte sich nur ungern in fremde Angelegenheiten ein, weshalb er sich die Frage, die ihm auf der Zunge lag, erst einmal mühsam verkniff, auch weil er immer noch erst einmal wieder zu Atem kommen musste. Seine Gedanken waren aber vermutlich trotzdem ziemlich offensichtlich sowie Ian den Kratzer im Gesicht des Jungen anstarrte.