THE WOLF INSIDE • möglicherweise auswirkungen aufs inplay • in naher zukunft (2, 3 wochen) • sophie && feral (+Siay) • talking about books |
Der Saft der Zitrone biss in seine Zunge, und er verzog leicht das Gesicht, obwohl er den Geschmack liebte. Es war nur eben so verdammt sauer, dass man sich nie daran gewöhnte. Eben der Grund, weshalb er sie aß. Andere Früchte, Äpfel und Orangen beispielsweise – und Feral meinte wirklich Orangen, keine Mandarinen – hatten auch ihre Daseinsberechtigung, aber Zitronen waren eben seine persönliche Vorliebe, die kaum einer verstand. Aber es ging nichts darüber, das Fruchtfleisch mit einiger Mühe aus der harten gelben Schale zu schneiden und in kleinen Stücken zu essen. Dass es seine Zähne angriff, störte den Otherkin persönlich wenig. Er hatte guten Zahnschmelz und aufgrund eines Genfehlers sowieso zu viel davon. Da machte es nichts aus, wenn ein Teil davon von Citrussäure angegriffen wurde. Sein Bruder lief schweigend neben ihm, den Kopf fast bis zum Boden gesenkt. Sein langes Colliefell schimmerte etwas in der Sonne, aber als er aufsah, blickte Feral-Child in Wolfsaugen. Natürlich war Siaibhin nicht sein Bruder, das war sinnlos zu erwähnen, aber sie gehörten zum selben Rudel und verhielten sich auch wie Geschwister, irgendwie. Wenn man verstand, sie Wolfsgeschwister miteinander umgingen. Hier hatte der Schwarzhaarige noch nie darüber gesprochen, dass er eigentlich kein Mensch sondern ein Otherkin war, aber die anderen hatten doch irgendwie gemerkt, dass er anders war. Man hatte die Fotos von Lucy und Kate auf seiner Kamera gefunden, sie ausgedruckt und “Schlampe+Baby zu verkaufen. Nur 5€ bei Interesse melden Sie sich bei Feral-Child Somewhat“, dazu geschrieben. Die Blätter waren durch die halbe Schule gegangen, und er hatte die Klappe gehalten ohne eine Miene zu verziehen. Es war in Ordnung. Ihn verletzten die Worte und die Sticheleien nicht. Die Typen, die das gemacht hatten, hatten keine Ahnung wer Lucy und Kate waren, und sie konnten ihnen nichts tun. Dass sie seine Sachen versteckten oder ihn zu Boden stießen war eine Tatsache, mit der er zurecht kam. Noch nie war er irgendwie vor ihnen zusammengebrochen, und weil er sich nie wehrte und auch nie verletzt, sondern immer nur friedlich und gleichgültig schien, war er erst recht als Psycho abgestempelt worden. Vielleicht bewunderte er dein oder andere ihn dafür, dass er niemandem die Pest auf den Hals wünschte, aber im Allgemeinen sah er höchstens Mitleid in den Augen der anderen, und sonst Arroganz oder einfache Leere. Ein wenig Schutz bekam er immerhin von dem einen Typen, dem er damals geholfen hatte die Sporthalle zu finden, obwohl Feral selbst noch nie dort gewesen war. Erneut biss der Sechzehnjährige in die Zitrone und kaute dann darauf herum, um das Fruchtfleisch vollkommen zu zerstören. Das Wetter war eigentlich recht schön, aber es war leicht windig und folglich kühl, sodass kaum jemand draußen war. Eigentlich ganz schön so. Mehr brauchte er nicht, keine Musik, gar nichts. Siaibhin neben ihm beschleunigte seine Schritte etwas und der Otherkin folgte dem Beispiel des Älteren. Zwar stand er in der Hierarchie über dem Colliemix aber er nahm trotzdem gerne seine Vorschläge an. Die beiden näherten sich einer Bank, auf dem eine andere Schülerin in ein Buch vertiefst saß. Sie hatte hellrotes Haar, dass ihr ins Gesicht fiel und trug unaufdringliche eher schlichte Kleidung. Dass Feral beim Näherkommen den Einband erkannte war mehr Glück, als wirklich ein gutes Gedächtnis, da er es selbst vor nicht allzu langer Zeit gelesen hatte. The Wolf’s Gift. Nicht schlecht. Es war ein Wolfsbuch, ein Werwolfsbuch um genau zu sein und allein deshalb hatte es ein Anrecht darauf, in seinem Regal als Originalausgabe – und er französischen Übersetzung – vertreten zu sein. Das Original war besser, weil französisch in seinen Ohren immer seltsam klingen würde, aber er war gut in Sprachen und es in der Landessprache zu lesen war eine gute Übung. Als Feral schräg vor dem Mädchen in diskreter Entfernung stehen blieb kehrte auf der Wolfshund zurück und blieb zwischen den Beiden – die braunen Wolfsaugen auf die lesende Fremde gerichtet – stehen. “An welcher Stelle bist du?“, fragte der Junge nach einiger Zeit des Überlegens. Ein besserer Einstieg für ein Gespräch kam ihm einfach nicht in den Sinn, und nach einem “Hey“ wäre er eh wieder abgehauen.