Helena
Steven seufzte leise und zuckte mit den Schultern. Wer nicht hören wollte, der musste eben fühlen und wenn sie meinte, sie müsste sich mit jemandem anlegen und ihm "auf die Fresse hauen", dann sollte sie das eben tun. Irgendwann würde sie schon an einen der Sportler geraten und wäre dann schlecht dran. Aber diese Erfahrung musste sie womöglich selbst erst machen, bevor sie begriff, dass es nichts brachte, die Fäuste einzusetzen, um die eigene Meinung zu vertreten.
"Wenn du meinst, dann mach das so."Was sollte er auch noch sagen, ihr noch erzählen? Die Sache mit ihrem Vater war nicht besser, als jemanden dafür zu schlagen, wenn er einen dumm anmachte. Schweigend schaute er ihr also dabei zu, wie sie sich den Pullover auszog und anfing, auf den Boxsack einzudreschen, der vor ihr hing. Kurz sah er zu, bevor er sich ebenfalls den Pullover über den Kopf zog und ihn auf die Bank an der Wand legte. Danach ging er um den Boxsack herum und stellte sich dahinter, um ihn festzuhalten, während Helena weiter darauf einschlug.
Offenbar löste sie sich dabei etwas, denn sie fing an von ihren Albträumen zu erzählen. Er fragte sich nur kurz, was die Engelsflügel auf ihrem Rücken zu bedeuten hatten, aber jeder, der selbst ein Tattoo trug wusste wohl, dass es meist eher persönliche Gründe waren. Und er selbst trug ja ebenfalls welche. Sehen konnte man, solang er sein T-Shirt trug aber wohl nur das am rechten Oberarm. Außerdem musste ja nicht jeder wissen, was man trug und warum. Schweigend hörte er ihr zu, wie sie von dem Unfall mit ihrer Mutter sprach, hielt nur den Sack fest.
Als sie fertig war, sah er ihr in die Augen.
"Nimm die Arme höher und streck den Arm gerade nach vorne, wenn du zuschlägst", erklärte Steven sachlich, ließ den Sack kurz los, um ihr langsam zu zeigen, wie er es meinte, deutete einen Schlag an und auf seinen Arm, der sich dabei gerade nach vorne streckte und nicht wie die Pranke eines Bären ausholte. Danach hielt er den Boxsack wieder fester.
"Vielleicht solltest du mal mit jemandem darüber reden. Es gibt Leute, die einem mit solchen Träumen helfen können."