Amabie Svobodová & Tobias Milton

Donnerstag, der 10. Dezember 2016 | 15 Uhr | Amabie Svobodová & Tobias Milton

Ruhig betrat ich das kleine Café und ließ die Tür hinter mir zufallen, die durch einen automatischen Mechanismus gebremst wurde. Sofort waberte die warme Luft um mich herum und vertrieb die Kälte, welche das winterliche Wetter bis in meine Knochen verbreitet hatte. Ich hätte mir wirklich Angenehmeres vorstellen können, als mich heute nach dem Unterricht noch vor die Tür zu wagen. Aber gleichzeitig war ich auch zu zuverlässig um einen Termin ohne plausiblen Grund einfach abzusagen. Außerdem war mir bereits früher schon häufiger gesagt worden, ich solle häufiger außer Haus gehen und Kontakte pflegen. Und auf einem Internat war es wohl nicht allzu schlecht zumindest ein paar Kollegen zu kennen, vor allem wenn man neu und eventuell später irgendwie auf Hilfe angewiesen war. Gerade so kurz vor der Klausurenphase, die vor den Weihnachtsferien hereinbrach.
Relativ schnell hatte ich mich für einen Tisch am Fenster entschieden, zog meine Jacke und meinen Schal aus und setzte mich schließlich. Mein Blick wanderte nach draußen, wo ich das Schneegestöber beobachtete, was aus dem Warmen betrachtet alles in ein absolut friedliches Licht tauchte und mir die Wartezeit verkürzte.

Es dauerte nicht allzu lange, bis Amabie ebenfalls eintrat und mich auch direkt fand. Automatisch stand ich ebenfalls kurz auf - eine Angewohnheit die manche als höflich, andere als unnötig erachteten. Ich jedenfalls fand es meistens nur angebracht, zur Begrüßung kurz Bequemlichkeiten fallen zu lassen, gemeinsam setzen konnte man sich dann ja immer noch. "Hallo Amabie," begann ich, "ich bin auch vor ein paar Minuten erst gekommen." Auch ich musste leicht lächeln, da die Jüngere eine Heiterkeit mitbrachte, die ich in den dunklen Wintermonaten so gar nicht gewohnt war. "Mein Tag war wie üblich, aber man merkt auch den Schülern an, dass es auf die Ferien zugeht. Vermutlich tut allen eine Pause mal ganz gut. Der Lehrer-Beruf macht mich manchmal doch mehr fertig, als ich gedacht hätte." Ich zuckte leicht mit den Schulter. "Wie geht es dir?"

Amabie erzählte fröhlich, dass bei ihr alles noch gut lief und ihre Schüler auch noch fleißig mitarbeiteten. Außerdem plante sie in den Ferien in eine Wohnung umzuziehen, dann könne auch 'ihre Kleine' endlich mit hierher kommen. Als die Frau sich einen Tee bestellte, schloss ich mich gleich an und bestellte einen Kaffee, ehe ich weiter zuhörte wie sie nachfragte, ob sie eigentlich schonmal ein Foto ihrer Tochter gezeigt hatte. Wenn ich ehrlich war, könnte ich mich nicht einmal richtig daran erinnern, dass Amabie überhaupt ein Kind hatte. Allerdings beantwortete sie munter ihre Frage selbst: Spur hatte ein Foto auf ihrem Schreibtisch stehen. "Ich war was Beziehungen angeht immer recht vorsichtig und habe nie die richtige Frau kennengelernt... Dafür hatte ich in meinem alten Beruf quasi 100 Töchter." Auch ich musste nun schmunzeln. "Wie alt ist deine jetzt?"

Ich winkte ab, als Amabie sich für ihre Neugierde entschuldigte. "Chorleiter und Kantor", gab ich schließlich meinen ehemaligen Beruf wieder. "Dann bist du bestimmt froh, sie hierher holen zu können. Es muss schwierig sein die eigene Familie irgendwo zurückzulassen." Ja, ich konnte hier sogar behaupten zu wissen, von was ich sprach. Auch mir war es sehr schwer gefallen, alleine in diesen neuen Ort zu ziehen und das, obwohl ich kaum Familie hatte. Als schließlich unsere Bestellung kam, begann ich leicht mit dem Löffel in meinem Kaffee zu rühren, obwohl das keinen Sinn besaß. Doch ich wusste, dass er noch viel zu heiß zum Trinken war. "Aus Straßburg, daher war es für mich recht naheliegend den Deutsch-Unterricht noch zu übernehmen. Du kommst aus einem eher östlichen Land, oder?" Fragte ich, bevor ich mich zu raten traute, "...Russland?"

Auch ich nickte nur über die Worte, welche die Frau nun noch über ihre Tochter verlor. Meine Vermutung, wo sie her stammte, musste sie aber korrigieren. Schmunzelnd zuckte ich mit den Schultern. "Für meine Verhältnisse nah dran, Geographie war noch nie mein Paradefach." Amabie fragte mich außerdem noch, ob meine Schüler ebenfalls noch etwas schreiben müssten. "Musik", antwortete ich, "ich hoffe, dass fällt ihnen einigermaßen leicht. Zumindest einfacher als die Hautfächer. Deutsch habe ich noch vorher durchgezogen, bevor alle Arbeiten auf einmal geschrieben werden. Von meiner Klasse habe ich gehört, dass noch einiges in den anderen Fächern ansteht."