Ame Ledoux & Lars Choe Dokgo

Ame sah auf ihre Armbanduhr. Schon eine Viertelstunde vergangen, seit ich hier angekommen bin... Sie hasste es zu warten. Das Mädchen richtete den Kragen an ihrer Lederjacke. Sie wurde doch wohl nicht versetzt oder? Was hatte sie nur geritten, sich auf ein Blind Date einzulassen! Naja... immerhin hatte sie sich darauf einigen können, nur einen Kaffee trinken zu gehen. Irgendwo war sie ja auch neugierig. Neugierig auf die Person, auf die sie sich da eingelassen hatte. Wäre da nur nicht dieser kleine Hauch von Angst, dass sie mal diejenige war, die hier verarscht wurde. Bei dem Gedanken ballte sie die linke Hand zur Faust und grub die Fingernägel in die Haut der Handfläche. Nein, das würde nicht passieren. Wenn ihr Date nicht in den nächsten zehn Minuten käme, würde sie gehen - nach einem Kaffee zum Mitnehmen. Denn auf den freute sie sich mittlerweile fast genauso wie auf die neue Folge Star Trek heute Abend. Bei dem Gedanken huschte ein leichtes Lächeln über Ames blasses Gesicht. Sie blickte sich erneut nach ihrem Date um.

Ein Lächeln ziert mein Gesicht nie, denn zu so etwas konnten mich nur meine engsten Vertrauten sehen und mich dazu bringen es überhaupt mal zu zeigen. Doch heute schien ich zumindest, nun ja, unbekümmert zu sein, das die Welt vielleicht mal zwei Stunden nicht unter geht. Warum genau hatte ich mich auf die Idee mit dem Date eingelassen? Neue Leute kennen lernen? Oder viel eher Menschen sehen, die nicht Minho heißen? Ihn mal fünf Minuten vergessen? Vielleicht, das würde mir ganz sicher gut tun.
Mit meiner Kapuze auf den Kopf betrete ich das Café, wobei die Türe schon fast etwas zu schwungvoll nach innen aufschwingt. Kurz sehe mich um und nehme meine Kapuze vom Kopf, setze eine Cappy auf und sehe daraufhin beinahe zufrieden aus, denn im selben Moment ziehe ich meinen Pullover aus, für den es ohnehin viel zu warm ist und ein schwarzes Oberteil kommt zum Vorschein.
Als ich zum Schluss den Blondschopf sehe, der an dem Tisch sitzt und gehe anschließend auf diesen Tisch zu, musste nicht einmal grob nachdenken und setze mich anschließend, nachdem ich kurz bei ihr stehen geblieben bin, ihr gegenüber: "Ich hab nicht gleich her gefunden", stelle ich nur fest und sehe sie anschließend schon fast ein wenig freundlich an, immerhin versuche ich mich zu bemühen, dass die Menschen mich hier nicht alle komplett hassen, doch die Einstellung konnte sich von einem Atemzug auf den Nächsten ändern.

Ein Junge betrat das Café, der die Kapuze nach dem Betreten absetzte und eine Cap aufsetzte. Wie eine Selbstverständlichkeit setzte er sich zu ihr. Das ist mein Blind Date...? Ame betrachtete ihn genauer. Er sah sportlich aus mit asiatischen Wurzeln: Sie konnte nur nicht einordnen wo genau er her kam. Ihr Bruder konnte das, was sie irgendwie bewunderte. Bei den Augen blieb sie hängen. Mit ihren dunkel geschminkten, blauen Augen schaute sie ihn an. Er kam ihr bekannt vor...
"Du bist neu hier, ich hab dich doch im Zug gesehen," stellte sie fest. Ja, Ame war sich sicher. Sie hatte ihn definitiv letztens im Zug gesehen. Er hatte für einen Tagestrip zu viel dabei gehabt, weswegen sie zu dem Schluss gekommen war, dass er gerade ans Internat gezogen war.
"Du bist also meine Verabredung..." Ame huschte kurz ein Lächeln über das Gesicht. Was war das bitte für ein Zufall. Die Person, die gerade ans Internat von sonst wo kam, war ihr Date. Das konnte ja was werden. Das Mädchen beschloss dennoch, ihre Jacke auszuziehen. Es war doch recht warm im Café, auf das Wetter waren sie noch nicht vorbereitet. Ame gab ihr graues T-Shirt mit dem Aufdruck ihrer Lieblingsband preis.

Sie wirkte schon etwas irritiert als ich mich zu ihr setze, doch da wir verabredet waren, schein es für mich auch logisch. Klar, gut erzogen bin ich und das würde sie auch noch merken, jedoch würde ich sicher keinen Knicks vor ihr machen, damit sie zufrieden wäre.
"Ja, haben wir", stelle ich knapp wie immer fest, denn ein Mann der großen Worte bin ich wahrlich nicht und das werde ich hoffentlich nie werden, denn die Kommunikation mit Menschen ist mir oftmals ziemlich zu wieder.
"sieht fast so aus", meinte ich ziemlich ruhig und sehe sie mir genau an. Intensiv geschminkte Augen, ein ziemlich unfreundlich gezeichnetes Gesicht, eine schmale Nase, Haare die leicht in ihr Gesicht hängen, einige würden sie als ziemlich hübsch abstempeln, doch für mich ist sie ein ziemlicher durchschnitt, was ich ihr jedoch nicht unter die Nase reiben werde. "Hast du schon was bestellt?", frage ich ziemlich ruhig, wie ich es eben bin. "Oder hast du gewartet?", irgendwo versuche ich doch ein wenig etwas aufzubauen, was in die Richtung eines Gespräches geht, auf Anschweigen hatte ich heute nicht unbedingt Lust.

"Nein, ich habe noch nichts bestellt." Ames Tante hatte ihr damals beigebracht, dass man mit dem Bestellen warten sollte, wenn die Verabredung noch nicht da war.
"Ja, ich habe gewartet." Dass sie sich einen Kaffee bestellt hätte und gegangen wäre, wenn er nicht bald gekommen wäre, verkniff sie sich. Vielleicht nimmst du dich heute mal zusammen, dachte sie auffordernd an sich selbst gerichtet. Schließlich kannte er sich offenbar noch gar nicht in der Stadt aus und konnte dementsprechend wenig dafür, dass er sich verspätete. Wenn man den Weg nicht kannte, konnte es schon gut sein, dass man eine Weile brauchte, bis man hierhin fand.
Ame war kein Freund von Stille, also versuchte sie ein Gesprächsthema zu finden, bevor die Bedienung kam, um die Bestellung entgegen zu nehmen. Hatten sie sich überhaupt vorgestellt? Soweit sie wusste, hatten sie sich ja nur über das Internet verabredet.
"Ich glaube wir haben uns noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Ame." Sie hielt ihm die Hand zur Begrüßung hin. Worüber konnte sie als nächstes mit ihm reden, ohne das das Gespräch einen noch unangenehmeren Unterton erhielt?

Das sie gewartet hatte zeigt mir nur, dass sie doch vielleicht ein bisschen Erziehung genossen hatte, was mir natürlich nur Vorteile bringt. Weiber, die nicht wissen wie sie sich benehmen sollen stoßen bei mir ohnehin auf taube Ohren.
"Lars mein Name", antwortete ich nur ruhig und nehme sanft ihre Hand, drücke sie leicht und lasse sie anschließend los. Mit einem warmen Ausdruck in den Augen lasse ich meine Finger durch meine Haare streifen, kratze mich leicht an der Nase und schüttle nochmals meinen Kopf, wobei ich wieder in ihre Augen sehe: "Wie lange bist du schon auf dem Internat und in der Stadt hier?", irgendwo bin ich froh, dass sie nicht gleich auf mich los geht, ich meine, Menschen sind nicht immer so freundlich.
"Was machst du in deiner Freizeit?", Sprechen ist nicht meine Stärke, doch heute wollte ich mich einmal bemühen, vielleicht nicht gleich wieder zum Ars*hloch zu mutieren.

"An sich bin ich schon länger hier," begann Ame zu antworten. "Das Internat hatte ich aber aus familiären Gründen für einige Zeit verlassen müssen und bin deshalb erst seit ein paar Wochen wieder hier." Sie schaute Lars direkt ins Gesicht. "Was führt dich auf das Internat?" Das Mädchen interessierte sich für gewöhnlich nicht für Andere. Es war daher auch verwunderlich genug, dass sie sich auf ein Date eingelassen hatte. Noch dazu auf ein Blind Date. Für einen Moment wunderte sie sich über seine Fragen. Hatten sie einen tieferen Sinn? Oder war es schlichtweg der einfache Smalltalk?
Auf die Frage, was sie in ihrer Freizeit machte, zog sie kurz und kaum merklich die rechte  Augenbraue hoch.
"Schaue gerne Serien oder mache Fotos. Und Du?" Seinem Aussehen nach zu urteilen, machte er gerne Sport. Sie war in gewisser Hinsicht froh, dass man ihr den Sport nicht direkt ansah. Breite Schultern wie ein Schwimmer hatte sie nicht, sie schwamm aber auch nicht. Seit dem Unfall vor einigen Jahren hatte sie keinen Fuß mehr in ein Schwimmbad gesetzt. Ihre Tante wollte immer, dass sie es wenigstens mal versuchte, gab laut ihr schließlich viele Paralympics-Schwimmer...
Die Bedienung, eine kleine Dunkelhaarige mit Locken, kam zu ihrem Tisch hin.
"Was kann ich Euch bringen?", fragte sie mit einer trällernden Stimme. Ame griff sich kurz an ihre Hosentasche und zählte kurz nach. Die Münzen waren noch alle da und reichten definitiv für ein warmes Getränk und eine Kleinigkeit zu essen plus ein wenig Trinkgeld, wie ihre Tante es ihr eingetrichtert hatte. Benehmen konnte sie sich schon, mit menschlichen Beziehungen klappte es nur häufig weniger, da sie anderen mit ihrer Ehrlichkeit und direkten Art gerne vor den Kopf stieß.
"Für mich bitte einen Milchkaffee und ein Stück Apfelkuchen mit Sahne." Sie schenkte der Bedienung ein Lächeln. Wenn sich nichts geändert hatte, war der Apfelkuchen nach wie vor der Beste in der Stadt - nicht zu süß und ohne Rosinen. Sie schaute Lars an. Irgendwie war es ein komisches Gefühl mit einem Typen in einem Café zu sitzen. Noch dazu in der Stadt, in der das Internat stand.

(Handypost)

"Ich wollte weg von meiner Familie", meinte ich ganz ruhig und wirke wie immer ziemlich entspannt und so, als könnte man mich gar nicht erst nerven. Klar, manche Menschen schaffen es mich innerhalb von fünf Minuten auf mehr als Hundert zu bringen.
Fragen nach meiner Persönlichkeit, Fragen die mich betreffen, für mich alles mehr als nicht okay. Was soll man machen? Antworten, wahrscheinlich schon. Immerhin hat sie mir auch geantwortet.
"Ich mache viel Sport, joggen, Kraftsport, Ausdauer..", kurz stocke ich und schlucke ab, "Verdammt warum genau hast du deinen Hund daheim gelassen?!", ich wusste nicht warum ich meine Hündin im Internat gelassen hatte, für mich konnte es mehr als nur lebensgefährlich sein ohne sie unterwegs zu sein, doch das hatte ich vergessen und vernachlässigt. Minho brauchte sie aktuell mehr. "... Ich bin ziemlich musikalisch, rappe, spiele Klavier und Gitarre und dazu hab ich noch einen Hund, den ich dummerweise daheim gelassen habe", kurz sehe ich nochmal zu ihr hin und kratze mich am Hinterkopf, schlucke schwer. Verdammt, ich konnte nicht wissen ob ich demnächst einen Anfall haben werde.
"Einen Cappuccino", meinte ich und sehe anschließend zu ihr hin, versuche nicht ganz verwirrt zu wirken, "Und einen Schokomuffin", stelle ich noch dazu fest und sehe wieder zu ihr hin. "Wie sieht es aus, bist du lieber draußen oder drinnen?", frage ich sie weiter aus, eine essenzielle Frage für mich.

"Dass du bei den ganzen Sachen noch Platz für die Schule hast." Ame grinste kurz über ihre Aussage.
Er hatte einen Hund. Sie war eher ein Katzenfreund. Aber sie hatte nichts gegen Hunde. Solange sie ruhig waren und nicht wie blöd kläffend durch die Gegend rannten wie so kleine oder große fiese Wadenbeißer.
"Was hast du denn für einen Hund? Erzähl mal von ihm... oder ihr." Lars schien der Hund sehr viel zu bedeuten, warum fragte sie ihn nicht einfach etwas darüber?
Als er bestellte, verzog sie leicht das Gesicht. Schokomuffins. Ame hasste Schokolade - Den Geschmack, das Aussehen, den Geruch. Als er wieder zu ihr hin sah, stellte sich schnell wieder ihr normaler Gesichtsausdruck her.
"ich bin gerne draußen." Der Sternenhimmel nachts, die Sonnenuntergänge, die Natur und ihre Pflanzen und Tiere fand sie faszinierend. Umso wichtiger war es ihr, dass sie es für sich behielt. Ihre Vorlieben, besonders die für den Himmel, wollte sie mit keinem teilen. Noch dazu kam, dass es noch viel widersprüchlicher sein musste, wenn jemand wie sie, mit ihrem doch recht alternativen Kleidungsstil, einen Faible für Astronomie wie ein Streber hatte. Nein, auf das Niveau wollte sie nicht noch einmal sinken, deswegen ging Genaueres Jeden einen Sch***dreck an.
"Und wie ist es bei dir? Bist du lieber draußen oder drinnen unterwegs?" Ame schaute Lars direkt in die Augen, faltete gleichzeitig ihre Hände auf der Tischplatte zusammen. Sie war angespannt. Lag es an dem Date an sich? Oder eher daran, dass ihr diese Fragen teilweise nicht ganz behagten?

"Es ist alles eine Sache des Timings", stelle ich ruhig fest und sehe ihr dabei ziemlich fest und selbstbewusst wie ich eben bin, in die Augen. Ich wollte nicht sonderlich viel über sie wissen, den irgendwo liegt in meinem Kopf immer wieder der Gedanke an Minho. Jedoch wollte ich weiter leben und lieber an Ame denken, die ihre Freizeit opfert um bei mir zu sitzen.
"Ich hab eine Wolfshybridhündin. Sie ist noch ziemlich jung, zwei Jahre alt und heißt Sun. Sie ist mein Assistenzhund", meinte ich nochmals ruhig, mehr hatte ich nicht über sie zu sagen, immerhin ist sie noch immer auf dem Internat und wartet darauf, dass ich heim komme.
"ich bin fast nur draußen, drinnen fällt mir zu schnell die Decke auf den Kopf", meinte ich leicht grinsend und zucke mit den breiten Schultern. "Später werde ich auch einen Beruf ergreifen, wo ich viel draußen sein kann", auch wenn meine Eltern und meine Noten eher zu Arzt, Anwalt oder was weiß ich tendieren.
Ganz kurz musste ich gähnen, als ich so da saß und auf meinen Kaffee wartete, welcher auch gleich kam und so konnte ich einen Schluck aus diesen nehmen, ein Lächeln zeichnet sich auf meinen schmalen Lippen ab und ich stelle die Tasse wieder ab, um meinen Muffin zu essen.

Ein Assistenzhund? Ame überlegte. Sie kannte diese ausgebildeten Tiere ursprünglich nur für Blinde und für schwer einstellbare Diabetiker. Blind war Lars nicht. Schließlich kam er ohne Hund zu ihrer Verabredung. Und da er einen Schokomuffin bestellte, konnte er wohl auch kaum ein Diabetiker sein.
"Wofür denn ein Assistenzhund?" Ame wollte nicht lange über diese Aussage rätseln und fragte einfach nach. Entweder bekam sie eine Antwort oder er würde ihr ausweichen.
Ame grinste, als Lars erzählte, dass ihm die Decke zu schnell auf den Kopf fiele. Sie kannte das Gefühl nur zu gut. Alleine aufgrund der Tatsache, dass sie in der Zeit vor ihrer Prothese, mit nur einem Bein, stark eingeschränkt gewesen war.
Einen Beruf, in dem er viel draußen sein kann? "An welche Art Beruf denkst du denn dabei?" Ame wusste selbst noch nicht so genau, was sie machen wollte. Aber da der Himmel sie so faszinierte, würde es vermutlich auf Astrologie oder Meteorologie hinauslaufen.
Als die Kellnerin zurückkehrte und die Bestellungen auf den Tisch stellte, lächelte Ame voller Vorfreude und rieb sich die Hände. Der Kuchen sah genauso aus, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Sie nahm einen vorsichtigen Schluck vom heißen Milchkaffee, bevor sie die Gabel in die rechte Hand nahm und ein Stück vom Apfelkuchen mit Sahne aß.
"Wenn du noch einmal hierhin kommst, solltest du wirklich den Apfelkuchen probieren. ich habe schon viele Cafés besucht und in keinem hat er besser geschmeckt, als hier." Sie nahm noch einen Happen vom Kuchen.

"Epilepsie", meine Stimme wirkt ziemlich klar und schon fast zu ruhig, streiche nochmals durch meine dunklen Haare, lasse sie unter meiner Cappy verschwinden und lege eine Hand auf meiner Seite des Tisches ab. Annäherungen sind nicht meine Welt und ich muss ganz ehrlich gestehen, dass Ame auch bisher keinen Eindruck auf mich macht, als wäre sie eine Frau, mit der ich ewig Lang etwas zu tun haben werde. "Aber ich hab das im Griff", füge ich noch hinzu und nehme nochmals einen Schluck von meinem Kaffee.
"Meine Familie will das ich Banker werde, doch ich tendiere eher zu etwas wie Maurer oder eventuell auch Maler... Irgendwas im Handwerk", mehr musste ich nicht sagen und so sehe ich sie an und versuche ein leichtes Lächeln auf meinen Lippen.
"Klar, mach ich das Nächste mal, auch wenn ich neben meinem Job, der Schule, dem Lernen und dem Training kaum Zeit für Momente wie diese habe", gebe ich warm zu und versuche ganz deutlich mit mir zurecht zu kommen. Für mich ist es etwas, das ich nicht zugeben würde, dass ich mir inzwischen ziemlich schwer tue einen Menschen zu finden, dem ich vertrauen kann. "Weißt du schon, was du später machen willst?", versuche ich etwas über sie zu erfahren, ich meine, aus dem Berufswunsch eines Menschen konnte man oft viel über seine Persönlichkeit herausfinden.

"Also kannst du trotzdem leben wie jeder Andere." Ames Worte waren mehr eine Feststellung als eine Frage. War sie neidisch? Nein, ganz bestimmt nicht. Jeder hatte sein Päckchen zu tragen und sie wollte nicht das Laster anderer haben und wünschte auch keinem Ihres. Zudem war sie froh, dass sie mittlerweile ohne fremde Hilfe durch das Leben kam. Mit finsterer Mine dachte sie an die Zeit nach dem Unfall und vor der Prothese zurück. Es war eine ätzende Zeit gewesen.
"Da liegt aber auch ein himmelweiter Unterschied zwischen dem, was deine Eltern wollen und dem was du willst." Als Lars sie ansah und lächelte, huschte auch bei ihr ein kurzes Lächeln über das Gesicht.
"Immerhin nimmst du dir die Zeit neben deinen ganzen anderen Angelegenheiten." Ame wuschelte sich kurz durch das hellblonde Haar. Das durch die Haare streichen von ihrer Verabredung steckte wohl an. Es war eine seltsame Angewohnheit des Jungen, die ihr langsam immer stärker auffiel.
"Und du machst deinen ganzen Kram definitiv freiwillig?" Ame blickte Lars fragend an. Irgendwie wollte es nicht so ganz in ihren Kopf, dass jemand so viele Dinge gerne und freiwillig gleichzeitig machte und auch noch unter einen Hut bekam. Solche Leute versuchten meistens irgendetwas zu kompensieren. So wie sie es mit dem Kampfsport in London gemacht hatte, bevor ihre Tante sie zum ersten Mal hierhin geschickt hatte.
Als Lars nach ihrer späteren Berufswahl fragte, nahm sie noch ein Stück Kuchen, ehe sie nach dem Schlucken antwortete: "Genau nicht, aber es wird wohl etwas Naturwissenschaftliches." Damit war für sie alles gesagt, was sie über ihre spätere Berufswahl sagen wollte und zu sagen hatte. Das Mädchen nahm einen Schluck von ihrem Milchkaffee.

"Ich bin Krank und nicht geistig gestört", meinte ich schon fast etwas zu unterkühlt, denn ich bin, wie schon immer, der Meinung, das meine Erkrankung mich nie beeinträchtigt, immerhin fehlt mir keine Gliedmaße ohne ähnliches.
"Ich werde wohl in die Richtung des Bankers oder Anwalts gehen", meinte ich ruhig, denn meine Eltern zu enttäuschen ist etwas, das ich nie wollen würde und auch nie machen würde, immerhin haben sie schon so oft auf mich gebaut und versucht etwas aus mir zu machen, dass ich will, dass sie glücklich sind mit allem was ich tue.
"Ja, mach ich. Ich will nicht daheim sein, ich will leben und alles vom Leben erfahren, das ich kann. Ich will alles mit nehmen und es später meinen Kindern erzählen können, was ich alles erlebt habe. Auf dem Sofa erlebt man eben nichts und lernt auch nichts aus dem Leben", stelle ich schon fast etwas zu ruhig fest und tippe mit meinem Zeigefinger rhythmisch auf dem Tisch rum. Dieses durch die Haare streichen meinerseits ist eine alte Macke, die ich einfach nicht los werde, meine engsten Freunde haben sich schon lange daran gewöhnt.
"Etwas Naturwissenschafliches....", wiederhole ich nur grinsend und schüttle den Kopf. Physik. Chemie. Biologie. Alles Fächer, die für mich schon fast langweilig sind, weil ich nichts zu tun hatte und es viel zu einfach ist, in diesen Fächern gute noten zu bekommen. Was soll ich wirklich machen? Ganz ehrlich? Ich sitze hier um Ame nicht zu verletzen, es ist Interessant etwas über sie zu erfahren und noch interessanter ist es, raus zu kommen, auch wenn ich irgendwo noch die Präsentation im Kopf hab, die ich noch machen muss.
"Was genau interessiert dich? Die Physik? Die Chemie? Biologie? Astronomie?", es gab noch viele mehr und deshalb höre ich doch auf sie aufzuzählen.

"Das habe ich damit auch nicht gesagt," gab Ame kühl zurück. Ame blickte ihn fragend an. Er wollte trotzdem das machen, das seine Eltern wollten? Sie fand das seltsam. Es war doch sein Leben und damit doch auch sein Lebenswunsch und seine Sache, was er daraus machte...
"Du bist ja seltsam. Gehst trotzdem in den Beruf, die sich deine Eltern wünschen, obwohl dein Herz was ganz Anderes will. Deine Eltern werden nicht ewig da sein und dann? Dann sitzt du da in deinem Büro mit deiner kleinen grünen Blume auf dem Tisch und schaust aus dem Fenster auf weitere graue Gebäude und wärst viel lieber draußen im Grünen Hauswände in kleinen Vorgärten streichen oder sie bauen." Ame trank ruhig noch einen Schluck aus ihrer Tasse, die bereits zur Hälfte leer war und beobachtete das Finger-Trommeln auf dem Tisch. Sie hatte mal einen Sitznachbarn in Physik gehabt, der das ebenfalls getan hatte. Nur war der Schlagzeuger gewesen und hatte stets noch mit den Füßen gewippt oder zusätzlich mit einem Stift in der anderen Hand getrommelt. Sie war froh, dass es bei Lars nicht so krass war.
Das Mädchen legte den Kopf fragend schief, als er über das Naturwissenschaftliche nur den Kopf schüttelte und grinste. Belächelte er das etwa? Sie zögerte kurz, ehe sie ihm antwortete.
"Was mich genau interessiert ist die Astronomie und die Meteorologie." Ame aß einen Happen von ihrem Kuchen und nahm viel Sahne dazu mit auf die Gabel.

Mich zu bezweifeln ist eines der vielen Dinge, die man einmal macht und dann merke ich sie mir. Ame hatte ich schon fast unter "unsympatisch" abgespeichert, doch dies würde ich ihr nicht offen zeigen. Eine Meinung die ich mir bilde die bleibt auch bestehen und aus dieser Meinung kommt man nur sehr sehr selten wieder raus.
"Ich wurde so erzogen. Wenn meine Eltern sterben sollten, werde ich den Posten meines Vaters in der Bank übernehmen und die Familiengeschichte fortsetzen.", stelle ich einfach nur fest und lehne mich in meinem Stuhl zurück und sehe zu meiner Tasse und meinem Muffin. Der Appetit ist mir vergangen und ich nehme mir so doch noch einen Schluck aus meiner Tasse und stelle sie wieder ab, öege mein Fußgelenk auf meinen Oberschenkel und sehe nochmals in die Augen der Blonden mir gegenüber. "Dazu habe ich Freizeit, die ich draußen verbringen kann", Freizeit und alles andere konnte ich noch immer draußen verbringen, Sport treiben und mit meinem Hund etwas Zeit verbringen.
Noch immer trommle ich mit meinen langen schmalen fingern auf dem Tisch rum und beobachte meine Finger dauerhaft, bis ich Ames Worte höre. "Horoskope oder wirklich Sternenbilder?", das Ganze ist nicht mein Fall, ich habe es immer brav gelernt und Zeit verbracht damit, es zu verstehen, doch ganz ehrlich - so toll ist es auch nicht. Für jeden gab es sein Fach, das er mochte oder nicht. Kurz ziehe ich mein Handy raus und beantworte eine Nachricht meines besten Freundes, der mich fragt, ob ich heute noch vorbei kommen würde und das konnte ich nur bejaen. "Aber gut, jedem das Seine", stelle ich fest und esse meinen Muffin in aller Ruhe fertig, zerknülle das Papier und lege es auf den Tisch vor mir.

Auf Lars' Antwort, dass er die Familiengeschichte fortsetzen würde, zuckte Ame nur mit den Schultern, das sich als ein Wie-du-meinst deuten lassen konnte. Die Geschichte war für sie damit gegessen. Sie war froh, dass sie keine Familiengeschichte fortsetzte. Sie wollte weder illegal wie ihr Vater unterwegs sein, noch von Beruf Mutter und abhängig vom Ehemann sein. Genauso wenig wollte sie aber auch in die Unternehmen ihrer Tante oder ihres Onkels einsteigen.
In Ame kochte ein leichter Anflug von Wut hoch, als ihre Verabredung sie allen Ernstes fragte, ob sie Horoskope oder echte Sternenbilder meinte.
"Sehe ich für dich aus, als würde ich an Horoskope und den ganzen Esoterik-Müll glauben?" Ames Augen leuchteten kühl. Erst nach Vorlieben fragen und sich danach darüber lustig machen. Das Mädchen verabscheute solche Leute. Aber vielleicht hatte Lars auch schlichtweg keine Ahnung, dass Horoskope in die Astrologie fielen und die Astronomie die 'wirklichen Sternenbilder' waren. Das Eine war die Deutung von Sternen und das Andere die Erforschung dieser Sterne und noch vieles mehr. Aber sie wollte ihm das jetzt nicht unter die Nase reiben. Sie hatte sich, wie es aussah ohnehin schon bei ihm unbeliebt gemacht. Aber mit ihrer Direktheit kam kaum einer zurecht und das war auch okay so.
Sie beobachtete Lars, wie er in aller Ruhe diesen Schokomuffin zu Ende aß. Innerlich verzog Ame das Gesicht. Es gab fast nichts, was sie ekliger fand. Aber sie tat es ihm gleich und aß ihren Apfelkuchen still auf. Denn der konnte ihr nicht die Laune vermiesen. Danach lehnte sie sich zurück, steckte ihre Hände in die Hosentaschen und spielte mit den Münzen in der Tasche.
"Und was steht nach dieser Verabredung bei dir so auf dem Plan?"

Ein Lächeln schmückt meine Lippen schon sehr lange nicht mehr und ich streiche mir nur kurz über die Tattoos am Unterarm, leicht genervt und unsicher.
"Ich weiß nicht woran du glaubst", meinte ich ganz ruhig und sehe ihr nochmals in die Augen. Als der Muffin fertig ist und das Papier zusammen gefaltet auf meinem Teller liegt sehe ich zu ihr und nehme meine Tasse in die Hand.
"Ich werde laufen gehen mit meinem Hund, eventuell nochmal trainieren mit meinem besten Freund und um 22:00 Uhr muss ich arbeiten.", stelle ich ganz ruhig fest und sehe nochmals kurz auf meine Armbanduhr.
"Und was hast du heute noch vor?", frage ich dem Anstand zuliebe, denn ganz ehrlich, ich wusste jetzt schon, dass es wohl das Letzte Date sein wird, doch ich will ihr auch nicht das Gefühl geben, ignoriert zu werden.

Ame nickte zunächst nur auf Lars' abendlichen Pläne.
"Als was arbeitest du denn?", fragte sie, nun nahezu so ruhig wie Lars aktuell sprach. Was brachte es, sich weiter aufzuregen?
Sie zuckte mit den Schultern. "Weiß noch nicht. Vielleicht ruft mich mein Bruder nachher an und wir telefonieren oder ich schnappe mir meine Kamera und mache noch ein paar Fotos; Wetter ist immerhin gut heute." Sie griff nach ihrem Kaffee und trank ihn aus. Langsam war er auch kalt.
Die Stille war unangenehm, die zwischen ihr und Lars entstand.
"Weißt du was bevor das hier noch unangenehmer zwischen uns beiden wird, bezahlen wir besser und jeder geht seiner Wege." Die Kellnerin, die sie vorhin schon bedient hatte, lief an ihrem Tisch vorbei und Ame gab ihr ein Zeichen, dass sie bezahlen wollte.