By chance we met, by choice we become friends

Isaac & Kai

Es war ein ziemlich heißer Sommertag und Kai hatte sich vor dem Internat ein schattiges Plätzchen unter einem Baum gesucht. Dort saß er nun im Schneidersitz auf dem weichen Rasen und zeichnete etwas lustlos ein paar Comiczeichnungen in sein Notizbuch. Er betrachtete sie und gab ein unzufriedenes Murren von sich. So richtig gut sah das ja nicht gerade aus, was er da zu Papier gebracht hatte. Zumindest konnte man sehen, dass die Striche eher unmotiviert auf dem Papier gelandet waren.
Obwohl er eine der wenigen schattigen Stellen auf dem Hof erwischt hatte, hatte Kai trotzdem das Gefühl sich in seinem schwarzen T-shirt zu Tode zu schwitzen. Eigentlich lagen neben ihm ja auch noch Hausaufgaben herum, aber die hatte er nach ein paar Minuten des lustlosen Anstarrens neben sich ins Gras gepfeffert. Die konnte man ja später auch noch machen. Kurz war Kai der Gedanke gekommen etwas Musik machen zu gehen, aber meistens lungerten im Musikraum sowieso schon irgendwelche anderen Leute herum. Wie sollte man da vernünftig spielen?
Gelangweilt seufzte der Lockenkopf vor sich hin. Er sah von seinen Zeichnungen auf und ließ den Blick über die Umgebung schweifen. Einige Meter von ihm entfernt sah er Isaac durch die Gegend latschen. Kai kannte den Jungen nur flüchtig und war schon stolz, dass er den Namen überhaupt wusste. Das traf wirklich nicht gerade auf viele Leute hier zu. Kai war einfach nicht gerade der Kerl, der sich leicht neue Freunde machte, wobei er selbst nicht genau sagen konnte, woran das überhaupt lag. Wenn er sich mit Jemandem gut verstand, dann meist eher oberflächlich, oder die Leute verschwanden nach einer Zeit wieder und lebten ihr Leben woanders weiter. Klar, er hatte Vale, aber irgendwie war es das auch wirklich schon, wenn er so darüber nachdachte. Ansonsten gab es nur ein paar nette Bekanntschaften. Kai musterte Isaac weiter. Er wusste eigentlich sonst gar nichts über ihn, außer, dass der Junge wohl mit ziemlich viel Hingabe Musik machte. Vermutlich hätte er Kai noch einiges beibringen können, da der meistens nur wie ein Bekloppter auf seiner Gitarre herum schredderte, was dafür aber überraschend gekonnt klang. Während Kai so in Gedanken versunken war und grübelte, fiel ihm kaum auf wie intensiv er gerade zu dem Jungen hinüber starrte, dabei seinen üblichen, etwas düsteren Gesichtsausdruck aufgesetzt. Wahrscheinlich wirkte er momentan wie ein Stalker, der in seinem Busch hockte und irgendwelche Fremde beobachtete.

Ich hatte die freie Zeit nutzen wollen um einwenig draußen joggen zu gehen, weswegen ich mir kurzerhand meine Sporthose und ein ärmelloses Shirt angezogen hatte - mit den Temperaturen musste ich jetzt wohl einfach klarkommen. Eigentlich hätte ich noch Damien gefragt ob er mitkommen wolle aber der Kerl war einfach unauffindbar. So verließ ich alleine und mit Kopfhörern in den Ohren das Hauptgebäude des Internats. Auf dem Pausenhof vor der Schule saßen vereinzelt Schüler, die entweder lernten oder Musik hörend im Gras lagen. Mein Blick flog nur abwesend über die Anwesenden, während ich die Lautstärke etwas in die Höhe schraubte, dass ich selbst die Schülerin, die plötzlich anfing laut zu gackern, nur noch schwach im Hintergrund hören konnte. Einige der Schüler kannte ich beim Namen und hatte auch hin und wieder mit ihnen zu tun, andere hatte ich in der Zeit, in der ich jetzt auf dem Internat war, noch nie zu Gesicht bekommen. Vielleicht war ich auch einfach viel zu unaufmerksam.
Als ich mich abwenden wollte, sah ich aus dem Augenwinkel, wie mich jemand direkt anstarrte und sich nicht darum scherte ob ich dies mitbekam oder nicht. Ich hielt an und starrte zurück. Der Junge ging in meine Parallelklasse und tatsächlich konnte ich mich auch dunkel an ihn erinnern. Kai. Der Nachname war mir entweder entfallen oder ich hatte ihn nie gekannt. Aber wieso starrte er mich so auffällig an? Und vor allem: warum so düster? Ich konnte mich zumindest nicht daran erinnern, mich in irgendeiner Weise bei ihm unbeliebt gemacht zu haben.
Als ich mich in Bewegung setzte und auf ihn zusteuerte, zog ich mir die Kopfhörer aus den Ohren, damit ich mich problemlos mit ihm unterhalten konnte - es war schließlich auch eine Form der höflichen Begegnung, wenn man keine Kopfhörer in den Ohren hatte. Alles in Ordnung? fragte ich, als ich so nah war, dass man sich unterhalten konnte. Ich hatte mich mit Kai unterhalten bisher und war mir nicht sicher, wie er vom Typ her war. Aber vielleicht würde er mir wenigstens verraten ob das Angestarre einen tieferen Sinn hatte oder nicht, vor allem weil es etwas unangenehm war wenn man grundlos von einem Fremden angestarrt wurde.

Kai legte etwas irritiert den Kopf schief als Isaac plötzlich auf ihn zukam. Dabei war diese Reaktion wohl eigentlich keine große Überraschung. Der Junge ließ sich wahrscheinlich ebenso wenig gerne anstarren wie die meisten anderen Menschen auch. Kai erwartete schon, dass Isaac irgendetwas wütendes oder schnippisches von sich geben würde als er vor ihm stand, aber stattdessen fragte er ihn ob alles in Ordnung war. Kais Augenbrauen gingen kurz überrascht nach oben. Entweder war Isaac wirklich einfach sehr nett und höflich oder er hielt Kai einfach für bescheuert. "Ähmm.. ja? Warum sollte es nicht?", gab er murrend zurück und blinzelte etwas gegen die Sonne, womit er das Anstarren nun endlich beendete. Okay, dumme Frage. "Ich war nur etwas in Gedanken, sorry", fügte er etwas knapp hinzu, um sich zu erklären. Kai versuchte sich selbst daran zu erinnern, dass er nicht gleich jedes Wort als Angriff deuten sollte, denn Isaac wirkte nicht so, als wollte er Kai provozieren. Aber wenn Isaac schon mal hier war, konnte Kai das ja auch ausnutzen. "Warst du zufällig in der letzten Stunde mal im Musikraum? Ist da viel los?", fragte er geradeheraus und strich sich seine Locken aus dem Gesicht. "Und wo wir schonmal dabei sind, du bist wahrscheinlich nicht ganz zufällig gut in Latein? Ich hab die erste Stunde heute morgen geschlafen und nichts mitbekommen..", erklärte Kai und deutete auf sein fast leeres Aufgabenheft neben sich im Gras. Das kam jetzt vielleicht etwas plötzlich, aber wenn er die Chance jetzt nicht nutzte, würden seine Hausaufgaben nie fertig werden, was ihm aber letztendlich auch ziemlich egal wäre. Kai sah Isaac unbesonnen an, legte einen fragenden Blick auf. Es war wahrscheinlich nicht gerade höflich und ein bisschen seltsam sein gegenüber erst so anzustarren, sich dann selbst angegriffen zu fühlen und Isaac dann auch noch so unverfroren mit Fragen zu überhäufen, deshalb erwartete Kai eigentlich nicht, das der Junge darauf eingehen würde. Wahrscheinlich hatte er ihn schon wieder erfolgreich vertrieben. Das dachte Kai jedenfalls. Allerdings kannte er Isaac ja auch nicht, wusste nicht, wie er drauf war. Er wirkte jedenfalls weniger wie ein Schlägertyp oder wie jemand, der sich leicht nerven ließ. Kai senkte den Blick wieder um der blendenden Sonne zu entgehen und zupfte nebenbei etwas im Gras herum. "Du bist doch in meiner Parallelklasse, oder? Isaac, richtig?, hakte er nach, blickte dabei nur kurz wieder zu dem Jungen hoch. Er setzte ein schiefes Grinsen auf, wusste einen Moment lang nicht mehr, was er noch sagen sollte und wartete einfach ruhig Isaacs Reaktion ab, wie auch immer diese aussehen würde.