Helena
Etwas verdutzt betrachtete Steven, wie Helena sich umwandte und etwas unvermittelt gegen ihn fallen ließ, sich an seine Brust drückte und weinte. Zunächst mittelmäßig überforderte, fing er sich aber recht schnell wieder und atmete tief durch, legte vorsichtig einen Arm um ihre Schultern und strich mit dem anderen beruhigend über ihren Rücken. Was hätte er auch sonst tun sollen? Er konnte sie ja schlecht weinend in der Luft hängen lassen, das war so garnicht sein Stil. Eine ganze Weile weinte sie einfach und schwieg, während auch der Größere nichts tat, als sie beruhigend festzuhalten. Wenn sie das brauchte, würde sie es bekommen. Als sie aber aus ihrer Starre wieder auftaute und erklärte, dass auch ihre Mutter schön gewesen sei, lächelte Steven sanft. "Ich bin mir sicher, dass sie das war. Sie hat ja auch eine hübsche Tochter, nicht?" Er wollte sich nicht vorstellen, wie es war, ein Elternteil oder einen Teil der Familie zu verlieren. Es war immer noch die schlimmste Vorstellung, dass sein Bruder irgendwann von einem Auslandseinsatz nur noch im Sarg nach Hause kam. Und so sehr er von seinem Vater früher auch mal getriezt wurde, er würde den alten Herrn doch sehr vermissen, wenn er nichtmehr da wäre. Schweigend beobachtete er sie weiter und hörte ihr zu, wie sie erklärte, dass sie nicht gern unter Leute ging. "Für den Anfang kann ich das machen", antwortete er, meinte damit, dass er ihr die Grundzüge des Boxens beibringen könnte. Früher oder später würde sie ja aber wohl in den Kurs gehen. Immerhin sollte sie doch Leute kennen lernen, wenn sie länger hier blieb. "Hör mal, Helena", begann er leise, strich ihr aufmunternd über den Kopf und sah zu ihr herunter, auch wenn sie sich noch immer in ihrem Pullover vergrub. "Ich kann verstehen, dass dich das traurig macht. Das ist in Ordnung und du sollst traurig sein, wenn du das möchtest. Und du solltest auch darüber reden, wenn du das möchtest. Aber ich bin mir sicher, dass deine Mom nicht gewollt hätte, dass du immer nur traurig bist, wenn du an sie denkst. Sie war doch bestimmt eine tolle Frau und würde wollen, dass du dich lieber daran erinnerst, hm?"