[Samantha Demont]
Das Klingeln hatte ich, wie so viele andere, überhört und es herrschte im allgemeinen - trotz Anwesenheit der Lehrerin - angeregtes Gemurmel. Ich blickte kurz auf meinen Stundenplan. Was hatten wir jetzt? Deutsch! Na toll, besser ging es echt nicht! Schon in der dritten Stunde Deutsch. Obwohl die erste Stunde wäre schlimmer gewesen ...
Wenigstens konnte ich die Unruhe nutzen, um leise vor mich hin zu summen, ohne dass es wer groß mitbekam. Der wahrlich einzige Vorteil an dem ganzen nervigen Gelaber. Gedankenverloren sah ich mich in der Klasse um. Es schienen sich ganz leicht bestimmte Gruppen herauszukristallisieren. Nerds, Gothics, Zicken, Schläger. Wahrscheinlich gab es auch noch Sportler und eben die, die in keine Gruppe so richtig passten: Normalos.
Als die Lehrerin den Unterricht begann und mich somit aus meinen Gedankengängen riss, stöhnte ich leise, aber genervt auf. Sie wollte wissen, was eine erlebte Rede ist. Was zum Teufel sollte das bitte sein? Diese Wortkonstellation sagte mir im Moment gerade überhaupt nichts. Wahrscheinlich war es irgendsoein Zwischending zwischen direkter und indirekter Rede oder so, was ja eigentlich logisch war, aber ich war mir erstens nicht sicher und zweitens hatte ich keine Lust, mich zu melden. Sollte das doch einer dieser Nerds übernehmen, so ein mobbingopferhafter Streber! Eigentlich hatte ich ja nichts gegen Streber oder Nerds oder sonst eine Art von Außenseiter, da ich ja selber einer gewesen war oder immer noch irgendwo in meinem Inneren war, aber ich müsste eben den Schein der taffen, mobbenden Schlägerin wahren, weshalb ich versuchte so zu denken. Naja, es war sowieso egal, aber so konnte ich meine Rolle einfach viel besser spielen. Ich war schon lange eine begabte Schauspielerin geworden, die permanent in ihrer Rolle bleiben konnte. Aber ich konnte auch anders sein, nett sein, mich für meine Gemeinheiten und Mobbereien entschuldigen. Irgendwo war ich halt doch noch die kleine Streberin aus dem Waisenhaus.
Neben mir saß ein Mädchen mit dunkelbraunem Haar und ebenso braunen Augen. Sie schien eher sportlich zu sein und sah auch ganz nett aus, war wahrscheinlich mit Zeichnen beschäftigt gewesen. Ich beschloss, sie ersteinmal nicht anzusprechen, da ich nicht unbedingt jetzt schon Feinde haben wollte. Vielleicht konnte ich mich mit ihr anfreunden? Nein wohl eher nicht. Ich starrte auf meinen Notizblock.